Behauholz - Renaissance eines Holzwerkstoff; Teil I

12.04.2010
a cura di Thomas Schrentewein
Einführung
Holztragwerke wurden schon immer so gebaut, dass die zu überspannende Länge mit einem möglichst geringen Materialeinsatz bewerkstelligt werden konnte. Heute gelingt das fast ausschließlich mit dem Werkstoff Brettschichtholz. Über viele Jahrhunderte hinweg bestimmte aber die verfügbare Baumlänge im entsprechenden Holzquerschnitt die Tragweite, und es lag nahe, diesen möglichst effizient und mit kleinstem Verschnitt zu nutzen. Neben dem traditionell verbundenen Schnittholz war der baumkantige Massivholzbalken, auch Behauholz genannt, ein gebräuchlicher Werkstoff, höhere Spannweiten bei Decken und Dächern wirtschaftlich zu realisieren. Am Baumstamm nur das Notwendigste abzuschneiden bringt auch den Vorteil, möglichst viel Spätholz am natürlichen Werkstoff zu belassen. Ein Erfahrungswert, der schon vor Jahrhunderten und noch fern von jeglicher technischer Normierung bekannt war.

Definition Behauholz
In verschiedenen südeuropäischen Ländern wird Behauholz auch heute noch bei Decken- und Dachkonstruktionen eingebaut. Von hier stammen auch die italienischen Namen der Einschnittverfahren „Uso Fiume - UF“ und „Uso Trieste - UT“, bezeichnend für die Hafenstädte Fiume (heute: Rijeka, Kroatien) und Trieste (Triest, heute Italien, vor 1918 bei Österreich). Bei beiden Produktionsverfahren wird der Stamm nach dem Entrinden an vier Seiten nur sägegestreift, sodass ein quadratischer Querschnitt mit mehr oder weniger abgefasten Ecken, in der Fachsprache Baumkante genannt, entsteht. Der wesentliche Unterschied beider Schnittverfahren besteht darin, dass beim „Uso Fiume“ die Sägeblätter parallel eingestellt werden, während beim „Uso Trieste“ die Sägeblätter der Abholzigkeit des Stammes folgen. Der UF-Balken hat somit nach dem Einschnitt jeweils parallele Seiten. Der UT-Balken hingegen weist einen stetig abnehmenden Querschnitt von der Basis bis zur Spitze von ungefähr 5 mm je Längenmeter auf. Baumkantiges Massivholz ist in Querschnitten von 8x8 cm bis 50x50 cm und in einer Länge bis zu 16 m verfügbar.
Warum Behauholz?
Restauratoren kennen Behauholz: Bei der Sanierung von historischen Gebäuden sind baumkantige Massivholzbalken die erste Wahl. Doch auch bei so manchem Neubau findet vor allem im Sichtbereich wieder baumkantiges Massivholz Verwendung. Bei diesen Bauvorhaben entscheidet man sich vielfach aus Gründen der Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit dafür. Anstatt hochwertiges Behauholz für den Schalungs- und Lehrgerüstbau zu verwenden, könnte es zumindest im einen oder anderen Fall als Alternative zum massenweise eingesetzten Brettschichtholz in Erwägung gezogen werden. Bauherren und Planer müssen vermehrt davon überzeugt werden, dass die beim baumkantigen Massivholz typischen Schwindrisse nur einen sehr geringen Einfluss auf dessen Festigkeitseigenschaften haben. Fehlende Materialkennwerte halten aber viele Planer davon ab, Behauholz für Tragwerke in Betracht zu ziehen. Manchmal auch, um sich nicht freiwillig der normativen Leere auszusetzen.

Ausgangslage
Bei den Massivholzprodukten ist heute das Interesse eindeutig auf das Kantholz bzw. Schnittholz gerichtet, schon seltener sehen wir Rundholz. Beide Produkte werden zur Zeit durch die jeweiligen nationalen Vorschriften, wie etwa die DIN 4074-1 für Bauschnittholz und die DIN 4074-2 für Baurundholz, zukünftig auch durch die neuen europäischen Normen EN 14081 und EN 14544, „geregelt“. Eine normgerechte Anwendung von Behauholz im Bauwesen ist jedoch nahezu ausgeschlossen, da es sich weder zum (perfekten) Schnittholz noch zum Rundholz zuordnen lässt. Obwohl Behauholz ähnliche Festigkeitseigenschaften wie Rundholz aufweist, ist dessen normativer Bezug aufgrund des partiellen Einschnittes nicht erlaubt. Durch das Sägestreifen werden nämlich gar einige der stärksten Spätholzfasern abgetrennt. Und gerade diese im äußeren Bereich des Stammes befindlichen Fasern sind für die höhere Festigkeit des Rundholzes, im Vergleich zum Schnittholz, verantwortlich.
Eine Anwendung der bekannten deutschen Schnittholznorm DIN 4074-1 für Behauholz wäre auch nicht empfehlenswert, da das Kriterium Baumkante (siehe Absatz 5.6) bestenfalls die Schnittklasse S7 bzw. S10 zulässt. Und dabei darf nicht einmal mehr als 2/3 einer Querschnittsseite von der Baumkante betroffen sein. Behauholz hat aber ohnehin eine beidseitige Baumkante, wodurch beispielsweise ein Holzquerschnitt mit 18 cm Breite nicht mehr als zwei Baumkanten von jeweils 3 cm aufweisen darf. Ist mehr Baumkante vorhanden, so fällt der Querschnitt nicht mehr in die Schnittklasse S7, obwohl der untersuchte Prüfkörper bei den anderen Kriterien hervorragende Bewertungen haben könnte. Vernachlässigt man hingegen die Eigenschaft Baumkante, dann wäre so manche Schnittklasse S7 in Wirklichkeit eine S13! In Folge wäre Behauholz nach DIN 4074 nur in den untersten Festigkeitsklassen C16 bzw. C18 nach EN 338 einstufbar.
Die italienische Klassifizierungsnorm UNI 11035, Ausgabe 2003, beinhaltete einen ersten Ansatz für die Berücksichtigung von Behauholz „Uso Fiume“ und „Uso Trieste“. Wegen des hohen Anteils an Baumkante fiel jeder Querschnitt aber auch hier von vornherein in die Sortierklasse S3, vergleichbar mit S7 nach DIN 4074. Die hierfür entsprechenden mechanischen Eigenschaften finden sich dann wiederum bei der Festigkeitsklasse C16. Alternativ war jedoch eine andere, leicht nachvollziehbare Methode für die visuelle Sortierung zulässig: „Überschreitet das Kriterium Baumkante die zulässigen Grenzwerte für die Zuordnung in eine Schnittklasse (Anm.: was bei Behauholz immer zutrifft), so darf das Bauteil jedenfalls klassifiziert werden (Anm.: ohne Berücksichtigung der Baumkante), falls der Nominalquerschnitt auf den eingeschriebenen Kreis innerhalb des Ausmaßes der größten Baumkante reduziert wird.“ Wird dieser Auslegung nach der umschriebene Nominalquerschnitt, in unserem Fall ein Quadrat, mit dem eingeschriebenen Kreisquerschnitt innerhalb der größten Baumkante verglichen, so beträgt bei einem im Extremfall auftretenden Kreisquerschnitt die Fläche in etwa 80%, das Trägheitsmoment jedoch nur 60% des umschriebenen Quadrats. Die Querschnittseigenschaften der baumkantigen Massivholzbalken bewegen sich irgendwo dazwischen, liegen jedoch näher beim Quadrat als beim Kreis. Schon an diesem Beispiel lässt sich die Schwierigkeit der Querschnittsbestimmung für Behauholz erkennen. Verschiedene Vergleichsrechnungen an Biegeträgern ergaben letztlich auch mit der Methode des eingeschriebenen Kreises unbefriedigende Ergebnisse, zumal auch noch die höhere Festigkeit des Spätholzanteils unberücksichtigt blieb. Da es vor der Erstausgabe der Norm UNI 11035 im Jahr 2003 in Italien überhaupt keine Bestimmungen zur Klassifizierung von Massivholz gab, war zumindest diese erste normative Berücksichtigung von Behauholz ein lobenswerter Ansatz.

Das Forschungsprojekt
Aufgrund dieser Voraussetzungen wurde im Jahr 2006 ein Projekt zur Förderung von baumkantigen Massivholzbalken begonnen, mit dem Ziel einer breiteren Anwendung im Bauwesen. Die Initiative ergriff die Sektion Holz im Unternehmerverband Südtirols mit Unterstützung des italienischen Verbandes Assolegno. Ursprünglich ging es mehr um die Ausarbeitung von technischen Informationen für Entscheidungsträger und Planer. Doch schon bald mussten sämtliche Ressourcen auf eine normative Erfassung gerichtet werden, um allenfalls das CE-Zeichen laut EN 14081 vergeben zu dürfen. Im Zuge der Anpassung der „alten“ UNI 11035 im Hinblick auf die europäische Harmonisierung (EN 1912 - Zuordnung visuelle Sortierung zu Festigkeitsklassen) bestand schließlich die Möglichkeit, einen eigenen Teil der überarbeiteten Norm ausschließlich dem Behauholz zu widmen. In mehreren Versuchsreihen wurden im Zeitraum Juni 2007 bis April 2009 insgesamt 507 baumkantige Balken aus Fichtenholz am Institut CNR-IVALSA Biegeversuchen unterzogen. Davon waren 284 Probekörper in sechs Prüfreihen unterschiedlicher Herkunft UT-Balken und 220 Probekörper in fünf Prüfreihen für UF-Balken vorgesehen. Drei der 507 Probekörper wurden ausgeschlossen, da sie nicht klassifizierbar waren. Die untersuchten Prüfkörper stammen in zeitlicher Abfolge aus folgenden Regionen:
Belgien – Raum Ardennengebiet,
Deutschland – Raum Plauen-Hof,
Italien – Val di Fiemme,
Deutschland – Raum Leutkirch im Allgäu,
Italien – Südtirol und
Österreich – Raum Gmünd.

Für die Probekörper wurden ein Nominalquerschnitt von 15 x 15 cm und eine Gesamtlänge von 300 cm bestimmt. Somit ergab sich die Stützweite von exakt 270 cm für den Vierpunktbiegeversuch laut EN 408.
Sämtliche Probekörper wurden noch nach der Regeln der bisherigen UNI 11035 visuell klassifiziert. Nahezu 80% der Proben entsprachen dabei der Klasse S1, was vergleichbar mit S13 laut DIN 4074-1 ist, jedoch ohne Berücksichtigung des Kriteriums Baumkante. Eigenartigerweise erbrachten so manche visuell klassifizierte Probekörper der Klasse S2 (S10 nach DIN 4074-1) höhere Materialkennwerte als jene der Klasse S1. Nicht nur aus diesem Grund, sondern auch der Tatsache wegen, dass bei mehreren Versuchsreihen der Klasse S2 die Mindestanzahl von 40 Stück nicht erreicht wurde, haben wir eine so genannte „Einheitsklasse“ für Behauholz der Einschnittverfahren UF und UT gebildet.
Vor den Biegeversuchen wurden die Dichte und die Holzfeuchte von jedem Prüfkörper ermittelt. Für die Berechnung der Dichte wurden alle Prüfkörper gewogen und deren Länge und Nominalquerschnitte in Trägermitte sowie an den Stirnseiten vermessen. Um möglichst präzise Werte für die Volumina zu erhalten, wurden bei einer Prüfreihe von UF- und UT-Balken die effektiven Querschnitte im Abstand von 50 cm vermessen und deren Volumen bestimmt. Im Verhältnis zum Nominalvolumen, d.h. umschriebener Rechteckquerschnitt mal Länge, ergibt sich ein im Mittel errechneter „Formbeiwert“ von 0,922. Dieser Faktor beinhaltet sowohl den Einfluss der Baumkante als auch die Abholzigkeit im Falle der UT-Balken. Bei der Feuchtemessung (Widerstandsmessung) wurden keine größeren Abweichungen festgestellt, alle Prüfkörper lagen um die 15%.
Die Biegeversuche wurden nach EN 14081-1 und EN 408 in der Konfiguration für die Ermittlung des globalen Elastizitätsmoduls durchgeführt. Neben der Ermittlung des globalen E-Moduls wurde auch die Biegefestigkeit fm bestimmt. Die Versuchsergebnisse an den parallelseitigen UF-Balken entsprachen großteils den Erwartungen, da der Querschnitt einigermaßen konstant über die Trägerlänge verläuft. Hierfür konnten auch die entsprechenden Bestimmungen der Normen EN 384 und EN 408 befolgt werden.
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